Kaufberatung

STEYR PUCH KAUFBERATUNG

Kleine Autos stehen heute hoch im Kurs. Der Abstieg vom Familienauto über den Einkaufsporsche zur Studentenkiste - das war einmal. Die Zeiten, wo mit einem "Hunni" für Ersatz gesorgt wurde, wenn etwas defekt war, sind längst vorbei.  Es sollte also dem Kaufinteressenten bewußt sein, daß die heute angebotenen Fahrzeuge zwar eine bewegte Vergangenheit hinter sich haben, dafür sind viele Exemplare bereits in den Genuss einer kostspielige Restauration gekommen. Trotzdem darf nicht automatisch von einer regelmäßigen Wartung bei einem frisch erworbenen, älteren Fahrzeug ausgegangen werden. Viele dieser Autos werden im Jahr gerade mal 3.000 Kilometer bewegt, weshalb kleinere Standschäden (Radbremszylinder, Leitungen, Elektrik) keine Seltenheit sind. Gerade die getunten Versionen, deren Fahrer den Einsatz oft übertrieben, hatten häufig Kontakt mit Straßengräben, wenn mal wieder zu wenig Straße am Ende der Kurve war. Trotzdem haben auch in Deutschland sehr viele Fahrzeuge überlebt. Leider werden die wirklich gut restaurierten Steyr Puch selten oder kaum auf dem Markt angeboten. Da hilft nur Geduld und intensives Suchen in der Szene. Wer trennt sich auch schon gerne von seinem ans Herz gewachsenen "Alpen-Carrera ".

Ein Steyr Puch ist immer Liebe auf den ersten Blick. Die frühen Modelle mit 493 ccm, knapp 20 PS und 5 Liter Spritverbrauch, einem langen Faltdach, das man inklusive Scheibe herunterrollen konnte, stellen heute  eine echte Alternative zu einem Hochpreis-Klassiker dar. Auf den zweiten Blick, sofern etwas Restaurierbares gefunden wurde, sollte man sich darüber im Klaren sein, daß es großer Schaffenskraft, reichlich Zeit und sehr guter Nerven bedarf, um ein Steyr Puch-Auto in einen ordentlichen, bis kompromißlos guten Zustand zu versetzen. Die hierfür notwendigen finanziellen Mittel liegen in der Regel sehr nahe am handelsüblichen Marktwert. Deshalb gilt die Devise, sollte ein schönes Fahrzeug angeboten werden: Nicht lange zögern, Geld einstecken, verhandeln und kaufen!

Großen Enttäuschungen kann man entgehen. Es gelten die folgenden Tips: Also, kleiner Rundgang um das Objekt der Begierde: Zuerst Sichtkontrolle außen, Risse im Verdeck, Gummidichtungen an Fenstern und Türen, Passung der Hauben und Türen. Achtung, frühe Modelle mit der Türaufhängung in der B-Säule neigen zu absackenden Türen. Das passiert bei den Modellen ab 1966 selten und nur dann, wenn die A-Säule durchgerostet ist. Vorsicht, da lauert die Fäulnis, denn sowohl Türunterkante, als auch die Türschweller und Radläufe rosten gerne von innen durch. Schlechte Blechqualität, damals nichtbekannte Rostvorsorge und Salzstreuorgien im Winter, haben die meisten Steyr Puch-Karosserien gezeichnet. Das Auto sollte also glatt lackiert sein und gute Passungen haben. So, nun die Haube und die beiden Türen auf: Kofferraumboden und Reserveradmulde genau betrachten. Riecht es nach Sprit, ist der Tank o.k.? Stoßdämpferaufnahmen prüfen, no Gilb please. Elektrik ? Kein Kabelsalat, bitte.

Nun zum Inneren: Sitze und die hintere Sitzbank hochklappen, Schweller, Bodenbleche und Schweißnähte kontrollieren. Vorne im Fußraum besonders auf die Pedalaufhängung am Schottblech (kein Knarren beim Pedaltreten) und die Haltebleche der Radaufhängungen in den Radkästen achten. Dort wurden mehrere Bleche übereinandergeschweißt und nicht richtig abgedichtet. Eine fachgerechte Reparatur ist sehr zeitaufwendig. Jetzt noch das Lenkspiel prüfen, die Sitze zurückklappen,und fertig. Der Karosseriezustand ist das "A und O" des Autos und stellt den größten Kostenfaktor bei der Restauration dar. Ein typischer Schwachpunkt beim Steyr Puch stellt die gesamte Vorderachse dar. Spurstangenköpfe, Querlenker mit Buchsen und die Gummis in den Halterungen für die Blattfeder gilt es zu überprüfen oder besser gleich auszutauschen. Wer möchte, kann, zwecks exakterem Spurverhalten, einen Blattfederstabilisator einbauen. Die Achsschenkel sollten alle 1000 km abgeschmiert werden, da sonst ein jährlicher Tausch fällig wird. Sämtliche Teile der Vorderachse sind als Fiat-Ersatzteile erhältlich und für kleines Geld zu erwerben. Das Steyr Puch-Getriebe und seine Aufhängung sind sehr robust und im Alltagsverkehr gibt es so gut wie keine Probleme. Einziger Schwachpunkt sind die Bolzen in den beiden geteilten Halbachsblechkörpern. Man sollte deshalb direkt an den Hinterrädern prüfen, ob sie sich spürbar nach vorne und hinten bewegen lassen. Um wieder eine einwandfreie und genaue Hinterachsführung zu erhalten, ist der Austausch durch die neueren Kunststoffbuchsen zu empfehlen. Wer will, kann auch da einen, in der Steyr Puch-Szene erhältlichen, Hinterachsstabilisator einbauen. Das Autoquariat in Wien (Ansprechpartner, Herr Etzersdorfer) hält auch noch einen Getriebestabilisator zur Abstützung bereit. Volle Wirkung auf das Fahrverhalten der Hinterachse bekommt man aber nur, wenn gleichzeitig auch ein Motorstabilisator (zu beziehen bei Firma Robert Prokschi) angebracht wird. Die beiden namhaftesten Steyr Puch - Teile Anbieter bestätigen auch, dass der Steyr Puch-Motor im Allgemeinen als sehr wartungsfreundlich und unverwüstlich gilt. Ventilspielkontrolle, Zündkerzen und Unterbrecherkotakte überprüfen sowie Ölstandskontrolle, das war´s dann schon. Mit der Zeit sollte aber der Motor neu abgedichtet werden. Durch die geringe Stückzahl, der verkauften Steyr Puch-Exemplare, sind einige Ersatzteile knapp und teuer geworden. Man muss auch wissen, dass ein neu aufgebauter TR-Motor mit frisch überholtem Getriebe (je nach Ausführung) schon mal soviel wie ein fahrbereiter Fiat 500 kosten kann. Einige Mitglieder des Steyr Puch-Freundeskreises Deutschlands, die Firmen Autoquariat in Wien und Robert Prokschi in Wöllersdorf bei Wien sind um die Teilenachfertigung bemüht. Für Steyr Puch-Auto`s ab Baujahr 1968 stehen nicht mehr alle Teile zur Verfügung. Vieles kommt aus dem Fiat-Ersatzteilbestand (Karosserie-, Glas-, Gummiteile und Beleuchtung) und ist für angemessenes Geld auf diversen Oldtimermärkten zu finden. Es kann noch von einer allgemein guten, sicheren Ersatzteilversorgung gesprochen werden.

Ein preiswerter Kleinwagen war der Steyr Puch noch nie. Alle Steyr Puch - Modelle sind absolute Raritäten, daher werden auch die als letztes auf den Markt gekommenen Modelle 500S und Steyr-Fiat 126 Puch langsam teuer. Ein toprestaurierter, originaler Steyr Puch, Modell 650 TR II (mit Originalstoßstangen), Monte Carlo Auspuffanlage, ca. 40 PS und allen technisch möglichen Verbesserungen, wird heute sicherlich nicht mehr unter 28.000 Euro angeboten werden. 650TR-Modelle mit der alten Karosserie (an der B-Säule angeschlagene Türen) gelten wegen ihrer Seltenheit und Motorsporthistorie als absolutes Highlight in der Oldtimerszene und können bei Enthusiasten und Sammlern den Preis von 30.000 Euro schon mal übertreffen. Dafür gibt es als Gegenleistung auch jede Menge Power und Fahrspaß - und die Gewissheit immer als Blickfang mit einem Ferrari in Konkurrenz treten zu dürfen.


Exoten bleiben eben unter sich!

Georg Hummel


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